Besiedlungsgeschichte

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Zuletzt aktualisiert am: Mittwoch, 2. Mai 2007 

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Magisterarbeit
Martin Nagel: Umwelt, Besiedlungs- und Kulturgeschichte in Nordost-Niedersachsen während der Älteren Bronzezeit 

 

[3] ARCHÄOLOGISCHE QUELLEN ALS BASIS DER BESIEDLUNGSGESCHICHTE

Im Arbeitsgebiet sind, wie bereits oben [1.5] erwähnt, keinerlei Funde oder Befunde bekannt ge- worden, die man als direkte materielle Spuren von menschlichen Ansiedlungen in der Älteren Bronzezeit deuten könnte. Einzelfunde müssen außer Betracht bleiben, weil sich in ihnen gesichert nur die singuläre räumliche Anwesenheit eines Individuums dokumentiert. Dagegen stellen Gräber und Gräberfelder den gesuchten Nachweis zur Besiedlung dieses geographischen Raumes dar, da gerade letztere von einem längerfristigen Bezug menschlicher Gruppen zu bestimmten Bestattungsplätzen zeugen (vgl. JANKUHN 1977, passim). Der Untersuchung und Extraktion der in den Quellen enthaltenen Informationen zu zeitlich-räumlichen Besiedlungsphänomenen und -strukturen dient dieser Hauptabschnitt.

 

[3.1] Räumliche Gliederung

Zur Vorbereitung der zeitlichen Differenzierung muß geklärt werden, ob im Arbeitsgebiet das Phänomen gleichzeitig, aber nebeneinander bestehender, d.h. koexistierender, menschlicher Gruppen mit unterschiedlichem Verhalten und einem daraus resultierenden verschiedenen archäologischen Habitus eindeutig ausgeschlossen werden kann. Denn nur in diesem Falle wäre es statthaft, die Quellen des Gesamtraumes als untereinander in direkter chronologischer Beziehung stehend und damit als ein geschlossenes System zu betrachten, andernfalls würde die Vermischung verschiedener, independenter Systeme zu einer Verfälschung der zu erarbeitenden zeitlichen Struktur führen.

 

[3.1.1] Formenkreise

Zur Behandlung dieser Frage ist es notwendig, durch Kartierung von Einzelformen und Fundkombinationen nachzuprüfen, ob zusammenfassbare Gruppen mit übereinstimmendem materiellen Formenschatz existieren und ob sie räumlich voneinander getrennt werden können (s. ZIEGERT 1983, 37). Zunächst müssen Einzelobjekte, die, miteinander verglichen, nur in den seltensten Fällen als identisch angesehen werden können, aufgrund ähnlicher Merkmale klassifiziert werden:

An jedem Objekt, z.B. an einem Gefäß oder einem Schwert, können Merkmale festgestellt, definiert und aufgelistet werden als 'Merkmalssummen'; eine bestimmte Auswahl von häufig zusammen auftretenden Merkmalen wird als 'Typ' definiert, dieser stellt also eine gemeinsame Teilmenge der an mehreren Objekten beobachteten Merkmale dar.
(ZIEGERT 1983, 26)

Hauptmerkmal ist meist die aus dem aktuellen Vergleich hervorgehende Zuordnung zu einer bestimmten Funktionskategorie, z.B. Dolch oder Fibel, oder eine möglichst wertfreie, formale Beschreibung, z.B. kegelförmiges Hütchen (im Katalog = Kegelhütchen) oder Schmuckscheibe. Dazu treten dann genauere Spezifizierungen, die besonders auffällige Eigenschaften, wie die Form oder eine Verzierung, möglichst prägnant kennzeichnen sollen. Eine so betriebene Typisierung hat, aufgrund der ihr eigenen Formalstruktur, die Eigenschaft, nie die Varianzbreite einer Merkmalssumme offenzulegen, sondern idealisierend zu wirken. Dies birgt in Zweifelsfällen schon bei der Zuweisung eines Objekts zu einer Typklasse Probleme, noch mehr aber dann, wenn versucht wird, eine Typdefinition durch die Einführung von Varianten und Subvarianten weiter zu untergliedern. Weiterhin ergibt sich daraus der Nachteil, daß eine so agierende formenkundliche Beurteilung von Objekten zum einen von Bearbeiter zu Bearbeiter stark differieren muß und damit einen Mangel an Nachvollziehbarkeit mit sich bringt, zum anderen, daß durch Untergliederung die Anzahl der jeweils zuweisbaren Objekte stetig abnimmt, was diese, insbesondere wenn sie schon von vornherein nur in geringer Stückzahl bekannt sind, für einen räumlichen Vergleich immer weniger tauglich macht.

Aus diesen Gründen wird zur Kartierung von Formenkreisen zunächst darauf verzichtet, die Typisierung der Objektgruppen allzu eng zu fassen, so daß, auch wegen des Auslassens der Einzelfunde, Kartenbilder mit möglichst vielen Fundorten entstehen können. Von der Anzahl der kartierten Einzelformen werden hier vier Typen exemplarisch herausgegriffen, die entweder allgemeine Strukturen der räumlichen Verbreitung näher erläutern: Absatzbeile und Griffzungenschwerter (Karte 6 u. 7), oder die gleichermaßen Fundkombinationen repräsentieren: Halskragen bzw. verzierte oder tordierte Halsringe (Karte 8 u. 9).

In beiden Fällen ist ein ähnliches Phänomen zu beobachten:

Absatzbeile und Halskragen streuen über das gesamte Arbeitsgebiet, d. h. über alle Räume, aus denen überhaupt Funde vorliegen. Beide weisen eine Konzentration im südlichen Bereich auf.

Griffzungenschwerter und die verzierten, bzw. tordierten Halsringe sind nur im Norden Nordost-Niedersachsens, mit jeweils einer Ausnahme, vertreten. Eine gewisse Konzentration deutet sich, wiederum bei beiden, im Gebiet der östlichen Luheheide und im Uelzener Becken an.

Aus diesem unterschiedlichen räumlichen Vorhandensein von verschiedenen Formengruppen, welches auch durch andere Kartierungen belegt wird, muß der Schluß gezogen werden, daß hiermit auch menschliche Gruppen mit unterschiedlichem räumlichen Verhalten erfaßt worden sind, woraus sich wiederum ergibt, daß es notwendig ist, die Funde aus den erkannten Regionen im chronologischen Arbeitsgang getrennt zu betrachten (vgl. ZIEGERT 1983, 37).

 

[3.1.2] Grenzlinienziehung

Aus dieser Trennung zweier Fundregionen ergibt sich aber noch keine eindeutige Grenzlinie zwischen den beiden Bereichen, so wie sie für eine eindeutige Vorsortierung des Materials wünschenswert wäre. Dieses kartographische Problem ist sowohl mit der inneren Struktur von Pseudoarealen als flächenhafte Wiedergabe vieler lokaler Objekte (HAKE 1976, 18/19) verbunden, als auch mit der nicht exakten Abgrenzbarkeit der ermittelten Formenkreise, da diese gleichermaßen Mischgebiete aufweisen (HAKE 1976, 20/21). Es erscheint deshalb unumgänglich, ein Ergebnis der naturräumlichen Betrachtung als hermeneutischen Zirkel (vgl. SEIFFERT 1969, 127) für die Grenzlinienkonstruktion heranzuziehen. Der endgültige Beweis für die Richtigkeit dieser Hypothese muß sich dabei aus dem widerspruchslosen Verlauf der nachfolgenden Untersuchung ergeben (vgl. SEIFFERT 1970, 116/117).

Im Arbeitsgebiet konnte aufgrund der speziellen naturräumlichen Struktur eine Differenzierung in einen Nord- und in einen Südteil der Lüneburger Heide vorgenommen werden (s. Abschn. 3.1.1 ). Der Blick auf die kartographische Zusammenfassung der räumlichen Quellenverteilung mit den orographischen Gegebenheiten (Karte 10) läßt erkennen, daß im Gebiet der sich von der Wümmeniederung nach Osten erstreckenden Hohen Heide und des Lüßplateaus auffallend wenige Fundpunkte vorhanden sind. Diese fundarmen, bzw. fundleeren, Räume decken sich mit den Grenzsäumen der auf den Karten 6-9 erkannten Formenkreise. Daraus kann nun der Schluß gezogen werden, daß hier gewisse, noch nicht näher präzisierbare, Abhängigkeiten bestehen, die zur Nutzung dieses Höhenzuges als Trennungsraum berechtigen. Als Grenze zwischen den beiden regionalen Materialgruppen kann somit die auf dem Höhenzug verlaufende Hauptwasserscheide konstruiert werden, die auch in ihrer weiteren Erstreckung die Trennungslinie bilden soll.

 

[3.2] Chronologische Bewertungskriterien

Als weitere Voraussetzung zur relativchronologischen Auswertung der archäologischen Funde muß geprüft werden, unter welchen Bedingungen die im Material gespeicherten zeitlichen Informationen zugänglich werden.

 

[3.2.1] Definition des geschlossenen Fundes

Die grundlegende Definition des Begriffs geschlossener Fund geht auf O. MONTELIUS zurück, der ihn in seiner Sprache mit dem Terminus Sicherer Fund benennt.

Ein Fund in dieser Meinung ... kann als die Summe von denjenigen Gegenständen bezeichnet werden, welche unter solchen Verhältnissen gefunden worden sind, dass sie als ganz gleichzeitig niedergelegt betrachtet werden müssen.
(MONTELIUS 1903, 3)

Bei dieser Bestimmung des chronologischen Gehaltes einer Objektvergesellschaftung aufgrund ihres gemeinsamen Niederlegungsdatums erkennt FRERICHS einen gewissen Mangel darin, daß nicht klar verbalisiert ist, unter welchen Umständen diese Tatsache als abgesichert zu gelten hat (FRERICHS 1981, 110). Unter Heranziehung einiger näherer Erläuterungsversuche, z.B. sagt MONTELIUS an anderer Stelle:

Was in einem Grabe liegt, kann wohl gewöhnlich als gleichzeitig betrachtet werden. Man muss doch auch hier sehr vorsichtig sein, besonders falls das Grab Ueberreste von mehreren Leichen enthielt. Diese sind nämlich, in den meisten Fällen wenigstens, zu verschiedenen Zeiten beigesetzt worden.
(MONTELIUS 1903, 8),

kommt FRERICHS zu dem Schluß, daß der Befund und die sich auf ihn stützende Interpretation des Gesamtzusammenhanges einen entscheidenden Einfluß auf die Identifikation eines geschlossenen Fundes haben (FRERICHS 1981, 110-112). Daraus entwickelt er folgende Definition, die zur Beurteilung der in dieser Arbeit erfaßten Quellen dienen wird:

Unter einem "geschlossenen Fund" ist eine Summe von Gegenständen zu verstehen, die (nach dem Bericht von glaubwürdigen, fachkundigen und mit dem notwendigen Beobachtungsvermögen ausgestatteten Leuten) mit solchen Eigenschaften und Relationen aufgefunden werden, daß durch den Gesamtbefund eine Deutung (...) gestützt wird, aus der die Gleichzeitigkeit der Niederlegung logisch geschlossen werden kann. (FRERICHS 1981, 112).

 

[3.2.2] Rekonstruktion geschlossener Funde

Unter diesen Gesichtspunkten ist die von LAUX erarbeitete Vermehrung von geschlossenen Funden in seinem im Vergleich zu dieser Arbeit etwas kleineren Arbeitsgebiet zu betrachten, wenn er, ausgehend von 267 bekannten geschlossenen Funden, diese Anzahl durch die kritische Überprüfung alter Bestände um 115 auf insgesamt 382 geschlossene Funde anhebt (LAUX 1971, 6; s. Abschn. 1.4.2). Um das Verfahren, welches zu diesem Ergebnis führt, würdigen zu können, muß seine Begründung umfassend zitiert werden:

Sachkundig geborgene Funde und methodisch durchgeführte Ausgrabungen haben gezeigt, daß sich die Grabausstattungen regelhaft wiederholen. Die möglichen Beigabenkombinationen werden für die einzelnen Bereiche unseres Arbeitsgebietes in den Abschnitten "Chronologie" und "Tracht und Bewaffnung" nachgewiesen. Diese Fundmodelle ermöglichen es, alte Bestände aus Museen und Sammlungen auf die Frage hin zu überprüfen, wie weit noch andere geschlossene Funde über die bisher bekannten hinaus vorliegen. Bei dieser Untersuchung half auch die im Abschnitt Tracht und Bewaffnung erarbeitete Feststellung von Schmucksätzen (Garnituren von Arm und Beinringen). Auch Kenntnisse über den Aufbau von Grabhügeln, mögliche Bestattungssitten und über die Lage der Beigaben waren für die Überprüfung nützlich.
(LAUX 1971, 1-6)

LAUX läßt in diesen Ausführungen erkennen, daß seine Bewertung der 267 bekannten geschlossenen Funde der Definition nach MONTELIUS zu entsprechen scheint, bzw. daß er in ihrer Festsetzung anderen Autoren folgt. Dazu im Gegensatz steht die Beurteilung und Einfügung der bis dahin unbekannten Altfunde, deren völlig andere Kriterien auf dem Prinzip der Ähnlichkeit mit abgesicherten geschlossenen Funden beruhen. Insofern ergibt sich, daß diese beiden Gruppen von ihren zeitlichen Inhalten und Aussagemöglichkeiten her unterschiedliche Qualitäten aufweisen, die sie für einen direkten chronologischen Vergleich wenig tauglich machen. Das liegt auch daran, daß die rekonstruierten geschlossenen Funde in ihrer materiellen Zusammensetzung nicht über die Merkmalssummen der sicheren geschlossenen Funde hinausgehen, da für die Zuordnung von weiteren Objekten keine Ähnlichkeiten mehr vorgegeben sind. So stellen sie maximal eine Bestätigung von bekannten Vergesellschaftungsphänomenen dar und bringen für die chronologische Auswertung keine zusätzlichen Informationen. Trotzdem kann eines der Hauptanliegen von LAUX, welches sich implizit aus der peniblen Materialsichtung ergibt, nämlich die in Museen und Sammlungen schlummernden Altfunde nicht nur als forschungsgeschichtliche Relikte anzusehen, sondern sie für die moderne Forschung in Wert zu setzen, als erfüllt betrachtet werden, da diese aus ihrer topographischen Dimension heraus zur Verifizierung von zeitlich abzusichernden Verbreitungsgebieten dienen können.

Die hier geäußerte Kritik gilt natürlich nicht für diejenigen in Vergessenheit geratenen Quellen, deren Funde und Befunde sorgfältig beschrieben und dokumentiert worden sind, wie es z.B. für einige v. ESTORFF-Grabungen (s. Abschn. 1.3; LAUX 1971, 7) belegt ist. Trotz mancher guter Näherung an moderne Maßstäbe darf nach der obigen Definition von FRERICHS nicht vergessen werden, daß Gesamtbefunde in einer Weise vorliegen müssen, die dazu berechtigen, in der Tat von einem geschlossenen Fund zu sprechen. In vielen Fällen wird hier allein auf Katalogangaben zurückgegriffen werden müssen, wobei schon G. JACOB-FRIESEN zu LAUX (1971) anmerkt, daß es wünschenswert gewesen wäre, "des öfteren etwas mehr über die Fundumstände zu hören, um die Zuverlässigkeit der alten Angaben besser beurteilen zu können"(JACOB-FRIESEN 1973, 580).

 

[3.3] Kombinationsstatistisches Verfahren

Die folgende engere Untersuchung folgt dem von H. ZIEGERT vorgelegten und ausführlich begründeten Verfahrensgang (ZIEGERT 1983, 36-42; vgl. Abschn. 3.1.1).

 

[3.3.1] Quellenkritik

[3.3.1.1] Befundbewertung

Die aufgenommenen 347 Quellen von 184 Fundorten (FO-Nr. 55, Schutschur, Kr. Lüchow-Dannenberg, mußte eliminiert werden, da keine Fundangaben zu erhalten waren) werden nach den obigen Voruntersuchungen in einen Nordbereich mit 194 und in einen Südbereich mit 153 Fundkomplexen getrennt. Welche und wieviele dieser Quellen sind nun als geschlossene Funde zu bewerten?

Die sorgfältige, singuläre Überprüfung, deren Ergebnis im einzelnen aus dem Katalogteil hervorgeht, läßt im Norden 91 und im Süden 125 geschlossene Funde erkenntlich werden. In Zweifelsfällen, d.h. wenn allein nach den Katalogangaben von F. LAUX (1971; s.o.) geurteilt werden mußte und das eindeutige Vorliegen eines abgesicherten Befundes nicht nachvollzogen werden konnte, mußte sich gegen eine solche Zuweisung entschieden werden. Das von LAUX (1971, Katalogteil, passim) verwendete Prädikat: zusammen gefunden kann dabei nicht als ausreichend exakter und synonym gebrauchter Begriff für einen geschlossenen Fund betrachtet werden.

Doch scheint es im Katalog Ausnahmen von dieser scharfen Regel zu geben, die einer näheren Erläuterung bedürfen:

70. Quelkhorn (Verden)
107. Völkersen (Verden)
167. Diensthop (Verden)

SCHÜNEMANN (1982, 44-49) bezeichnet diese Funde ausdrücklich als geschlossene.

119. Westerweyhe (Uelzen)

Nach der Überprüfung der Angaben bei G. v. ESTORFF (1846, 65/66; 82; 96) handelt es sich um einen geschlossenen Fund.

153. Becklingen (Celle)
158. Hartem (Fallingbostel)
160. Bonstorf (Celle)
161. Wardböhmen-Worbsloh (Celle)
164. Hermannsburg-Winkelberg (Celle)
168. Südbostel (Fallingbostel)
172. Bleckmar-Wittenberg (Celle)
175. Dohnsen, OT Wohlde (Celle)

Von diesen PIESKER-Grabungen (1958, passim) sind teilweise oder überwiegend keine Befundangaben bekannt. Trotzdem führt die Qualität des Ausgräbers und die Tatsache, daß seine bislang unveröffentlicht gebliebenen Grabungstagebücher anscheinend für die LAUX'sche Bearbeitung vorgelegen haben, zu einer Kategorisierung in diesem Sinne.

In den Fällen, in denen im Abschnitt der "eventuell geschlossenen Funde" im Katalog zusätzlich Befunde angeführt sind, handelt es sich nach Ansicht der Ausgräber um gestörte Komplexe.

 

[3.3.1.2] Hort- und Grabfunde

Für die Zusammensetzung eines geschlossenen Fundes, je nachdem, ob er nach der Interpretation des Befundes als Grab oder Hortinventar zu gelten hat, sind unterschiedliche Niederlegungskriterien vorauszusetzen, da in beiden Fällen andere Intentionen zur Deponierung von Objekten führen.

In dem einen Fall, beim Grab, lassen sich die zusammen gefundenen Gegenstände im weitesten Sinne als Beigaben bezeichnen, was bedeuten soll, daß es sich hier entweder um das persönliche Eigentum eines beerdigten Individuums handelt und/oder daß die Mitgabe von bestimmten Objekten bei der bestattenden Gruppe üblich war.

Bei einem Hort oder einem Depot sind dagegen andere Beweggründe für die Zusammenstellung verantwortlich zu machen, z.B. der Schutz vor dem Zugriff anderer Personen oder die Weihegabe an einer mit religiösen Vorstellungen verbundenen Örtlichkeit.

Obwohl für die Fundkombinationen in beiden Kategorien die jeweilige Gleichzeitigkeit zum Zeitpunkt der Niederlegung gleichermaßen gilt, muß der Unterschied in der dazu führenden Motivation als Grund für ihre getrennte Auswertung gelten (vgl. ZIEGERT 1983, 37).

Somit bilden im Norden 10 und im Süden 2 Horte gegenüber 81 und 123 Gräbern eine besondere Gruppe innerhalb der geschlossenen Funde. Die bisher erfolgten Differenzierungsvorgänge verdeutlichen die Karten 11 und 12. Karte 11 dokumentiert gleichzeitig auch die gravierenden Unterschiede in der Quellenlage, denn gerade im südlichen Bereich ist zu sehen, daß sich eine sehr große Zahl (123) von geschlossenen Grabfunden in einem recht kleinen Gebiet ballt, während im nördlichen Teil sehr viel weniger Funde der gleichen Kategorie auf eine sehr viel größere Fläche verteilt sind.

An dieser Stelle soll noch auf einen als "eventuell geschlossener Hort" eingeordneten Fund eingegangen werden, der vom Befund her quasi eine Zwitterstellung einnimmt (s. Kat. Nr. 25):

In Garlstorf (Harburg) wurden. im Verlauf der Ausgrabung eines älterkaiserzeitlichen Urnenfriedhofs neben grobknochigem Leichenbrand drei Bronzeobjekte südlich eines zerstörten Grabhügels gefunden. Obwohl zwei der Gegenstände, ein vierkantiger Bronzering und Reste einer Lüneburger Radnadel mit vermuteter Speichenform A (nach: HOLSTE 1939, 54), direkte Vergleiche bislang nur in Gräbern haben, konstruiert LAUX, der diesen Fund auch erstmals publizierte (1984, 77-83), aus dem dritten Fundstück, dem Schneidenteilbruchstück eines Absatzbeiles, einen Hortfund. Nach seiner Argumentation ist die unbestrittene Tatsache, daß Absatzbeile dieses Typs (Typ Ilsmoor, Form Issendorf, Verweis auf: LAUX 1971, 84) nur aus Horten bekannt sind, sowie die Beobachtung, daß dieser Schneidenteil alt angesägt und an dieser Stelle alt abgebrochen ist, d.h. es handelt sich um ein bewußtes Bruchstück, ausreichend für die Klassifizierung als Hort. Dieses Ergebnis erscheint in der Relation zu den oben angeführten, gegensätzlich auf einen Grabfund hinweisenden Fakten bezweifelbar zu sein.

 

[3.3.1.3] Dokumentation

Die Vorgehensweise des kombinationsstatistischen Verfahrens ist nach ZIEGERT an eine visuell vergleichbare Arbeitsgrundlage gebunden (1983, 39). Davon ausgehend müssen alle Quellen, zu denen keine ausreichenden Funddokumentationen in Form von Abbildungen vorliegen, aus der Materialsammlung ausgeschlossen werden. Das trifft, im Norden für elf und im Süden für zwölf Funde geltend, bei den 204 geschlossenen Funden auf 23 Quellen zu, von denen allein 10 aus Nachkriegsgrabungen stammen. Darin sind auch die bereits oben angeführten Untersuchungen von K. L. VOSS enthalten (vgl. Abschn. 1.4.1), bei deren bisheriger Publikation es besonders an Fundzeichnungen oder Photographien der einzelnen erkannten Objekte mangelt. Im Katalog sind alle Quellen, die dieser Einschränkung unterliegen, mit dem Vermerk "o. Abb." oder "unvollständ. Abb." versehen

 

[3.3.2] Sexualdifferenzierung

Dieser Schritt gilt der Trennung von weiblichen und männlichen Grabinventaren.

Anthropologische Bestimmungen, die eine abgesicherte Grundlage bieten könnten, liegen nur einmal für die Nr. 34, Sottorf (Harburg), vor, helfen aber nicht weiter, da es sich bei den untersuchten Leichenbrandresten um ein Kind von 3-5 Jahren (Infans I) handelt. Außerdem sind die zerbrochenen und angeschmolzenen Fundgegenstände dieser Bestattung nicht eindeutig zuzuordnen, da innerhalb des Totenhauses (geschlossener Fund) noch eine weitere (Leichenbrand in einer Grube) aufgefunden wurde (WEGEWITZ 1949, 85-90; dort: Anthropologische Bestimmung durch Dr. KRUMMBEIN, Nordhorn).

Die Sexualdifferenzierung ist somit allein auf archäologischem Wege durch die Trennung von Fundkombinationen, die als geschlechtsspezifisch angesehen werden, durchzuführen. A priori wird dabei vorausgesetzt, daß z.B. Bewaffnungsgegenstände auf Männergräber hinweisen.

Die Durchsicht der geschlossenen Funde läßt einen zweiseitigen Ausschluß erkennen: Alle mit Silexpfeilspitzen direkt oder indirekt kombinierten Gegenstände, so z.B.: Absatzbeile, große Fibeln mit weidenblattförmigem Bügel, Lanzenspitzen, Schwerter unterschiedlichster Form und bis auf wenige Ausnahmen (s.u.) alle Nadelformen bilden die eine gesonderte Gruppe. Auf der anderen Seite stehen unmittelbare oder mittelbare Vergesellschaftungen mit kegelförmigen Bronzeblechhütchen, Blechröhrchen und Spiralröllchen, u.a.: Radnadeln, Scheibennadeln, Halskragen, Hals- bzw. Arm- oder Fingerbergen, verzierte oder tordierte Halsringe, Armspiralen, Stollen und Manschettenarmbänder, verzierte Arm- und Beinringe, etc.. Die erste Zusammenstellung von Fundkombinationen entspricht der obigen Hypothese von Männergrab-Inventaren, womit sich die zweite als die der Frauengrab-Inventare ergibt.

Diesen als geschlechtsspezifisch erkannten Materialgruppen lassen sich im südlichen Bereich 7 geschlossene Funde (FO-Nr.: 150; 162, 4/3; 162, 6; 162, 8/2; 162, 17; 175, 16/2; 175, 16/3 [Hgl/Best]) und im Norden 2 (58, 2; 113, 27) überhaupt nicht zuordnen, sie fallen an dieser Stelle aus dem Verfahren heraus.

Bei anderen macht die Zuweisung einige Probleme, da sie Objekte enthalten, die nach der bisherigen Einsortierung nie in einer Fundkombination zusammen vorhanden waren und sich gegenseitig auszuschließen schienen:

15. Beckdorf (Stade), Best. 1.
Nach der Mehrheit der in diesem Grab gefundenen Gegenstände (tordierter Halsring, 2 Lockenspiralen, verzierter Armring) soll diese Bestattung trotz der sonst in Männerinventaren gefundenen schwergerippten Nadel und der Dolchklinge als eine weibliche Grablegung angesehen werden.

11. Goldbeck (Stade), Hgl. 73, Best. 2
Das Inventar umfaßt untypischerweise ebenfalls eine Dolchklinge, doch die Reste einer kleinen Spiralplattenfibel mit schmalem, gedrehtem Bügel sowie eine Glasperle lassen zu der Einordnung als Frauenbestattung kommen.

Eine Besonderheit stellt ein Befund aus Melbeck (Lüneburg), FO-NR. 58, Hgl. 3 dar, daß in einem geschlossenen Fund, der durch den Befund eines Scheiterhaufens belegt wird, männliche und weibliche Inventargegenstände miteinander vergesellschaftet vorliegen. Diese Quelle hat große Bedeutung für die spätere Zusammenfügung der Frauengrab- und Männergrab-Chronologie.

Von den verbliebenen 172 geschlossenen Funden sind im Norden 36 Frauen- und 33 Männerbestattungen vorhanden, im Süden beträgt das Verhältnis 47 zu 57 (obiges Grab aus Melbeck wurde für die Nord-Region doppelt gezählt).

 

[3.3.3] Sozialdifferenzierung

Die Frage nach der gesellschaftlichen Stellung der oder des Bestatteten, d.h. nach der Menge und der "Güte" der im Grabe gefundenen Gegenstände oder dem beobachteten Aufwand für die Grabstätte, bleibt für die kombinationsstatistische Untersuchung ohne Belang, da der Vergleich und die daraus resultierende Gruppenbildung und -abfolge "ausschließlich technische und Formmerkmale" behandeln wird (ZIEGERT 1983, 37).

 

[3.3.4] Chronologische Gruppenbildung und -verknüpfung

Weil das Verfahren, wie gesagt, vornehmlich auf visuellem Wege eine chronologisch-ordnende Gliederung der Grabinventare in Mengen mit gemeinsamen Merkmals- und Typenkombinationen erreicht, sind die verschiedenen Sortierungsschritte, die zum Erkennen von Leithorizonten, zu deren Leittypen (vgl. ZIEGERT 1983, 36-40) und zu ihren chronologisch.zu bewertenden Merkmalsähnlichkeiten führen, am besten anhand der erzielten Zusammenfassung in zeitlich abgestuften Leittypen-Kombinationstafeln, dem Ergebnis dieses Arbeitsganges, zu verdeutlichen.

 

[3.3.4.1] Relative Frauengrab-Chronologie

In jeder der beiden räumlich voneinander getrennten Fundregionen können jeweils zwei Guppen mit untereinander ähnlichen, als weiblich (.../w) erkannten, Grabinventar-Zusammensetzungen bestimmt werden (vgl. Tab. 2):

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Im Süden handelt es sich zum einen um eine Inventargruppe (A/w), deren Fundkombinationen als gemeinsame Teilmenge beidseitig profilierte Doppelradnadeln (Speichenschema C nach HOLSTE 1939, 54) und Stachelscheiben mit konzentrischen Rippen und kleinem, dicken Mitteldorn aufweisen. Diesen Leittypen sind schmale gerippte Stollenarmbänder und gerippte Halskragen mit Buckel oder Punktverzierung am oberen und/oder untereren Rand beigeordnet.

Den anderen südlichen Leithorizont (B/w) bilden Objektzusammensetzungen, die durch Leittypen wie die sogenannten Lüneburger Radnadeln (= nur einseitig profiliert) mit drei konzentrischen Felgen und drei, meist spitzbogigen Ösen und breite Stollenarmbänder, deren Seiten und/oder deren Mittelrippe verdickt oder kerbverziert von den weiteren, parallell laufenden Rippen abgehoben sind. Weitere häufiger auftretende Funde dieser Formengruppe sind Halskragen mit einer größeren, unverzierten Freifläche, die den gesammten unteren Randbereich dieser Objekte einnimmt und deren Rippen, zum Teil in fast regelmäßigen Abständen, kerbverziert sind sowie sog. Schmuckscheiben unterschiedlichsten Durchmessers mit kleinem, dicken Mitteldorn und unterseitiger Öse. Ihre Verzierung besteht, für diese Gruppe typisch, ausschließlich aus konzentrischen Buckel und Punktlinien. Als relativ seltener Beifund treten auch Fibeln mit weidenblattförmigem Bügel und kleinen Endspiralen auf, die wegen ihrer Befundsituation am Hinterhaupt der Bestatteten auch als Haarknotenfibeln bezeichnet werden (LAUX 1971, passim).

Im nördlichen Bereich läßt sich eine Teilgruppe (C/w) von Inventaren aus geschlossenen Funden erkennen, deren kennzeichnende Teilmenge aus Scheibennadeln mit oberseitig umgerollter Öse und Schmuckscheiben besteht, die beide in vergleichbarer Weise mit konzentrischen Kreisen und Ringen, fortlaufenden Spiralmustern und dieser Verzierungsweise untergeordnet scheinenden Buckelwölbungen versehen sind. Die auch hiermit vergesellschafteten Halskragen sind zum einen denen der Südregion ähnlich (beide Gruppen), darüber hinaus treten auf der unteren Fläche und auf den Seitenteilen, die nicht von Rippen eingenommen werden, intensive Buckel- und Spiralverzierungen auf, die denen der.Scheibennadeln und Schmuckscheiben vergleichbar sind. Ein anderes wichtiges Accessoire sind die mit diesen Objekttypen vergesellschafteten Stachelscheiben, die mit Ausnahme des wesentlich schlankeren und weiter hervortretenden Mitteldornes weitgehend denen des ersterwähnten Leithorizontes entsprechen.

Einen vollkommen anderen Habitus weist die zweite Teilgruppe (D/w) in ihrem Formengut auf. Ihre Leittypen bilden kaum mehr eine Teilmenge der gesamten einbezogenen Inventare, sondern, und das ist die Basis für die Fundrekonstruktion (s. Abschn. 3.2.2), in fast jedem Fund ist die Gesamtkombination überproportional repräsentiert. Vergesellschaftet sind meist paarweise oder in einem anderen geradzahligem Verhältnis gefundene Arm- und Beinringe, die mit eng auf eng und gegeneinander rechtwinklig gestellten Strichbündeln und mehreren eingeschobenen, flachen spitzovalen Bögen verziert sind, mit einem oder zwei Halsringen, deren schräg angeordnetes, umlaufendes Strichbündelmuster als Leiterbandverzierung angesprochen wird. Dazu kommen Fibeln mit weidenblattförmigem Bügel und großen Spiralen (gr. Haarknotenfibel), Spiralplattenfibeln mit mehrfachem Kreuzbalkenkopf und bandförmigem Bügel und Manschettenarmbänder mit kerbverzierten Rippen.

Die zeitliche Aufeinanderfolge und Verknüpfung dieser Leithorizonte, wie sie in Tabelle 2 dargestellt
ist, ergibt sich aus den folgenden Überlegungen und Feststellungen:

  • Da in beiden Regionen jeweils nur zwei Leithorizonte voneinander unterschieden werden, ergibt sich zwangsläufig der Schluß, daß diese jeweils als zeitlich benachbart angesehen werden müssen. Das bestätigt sich vor allem in der Ähnlichkeit der Gruppen A/w und B/w.
  • Die Stachelscheiben der Gruppen A/w und C/w zeigen in der unterschiedlichen Ausformung ihrer Mitteldorne einen Trend der Formenentwicklung, dessen allgemeine Richtung durch vergleichbare Tutulusscheiben mit langem Dorn und oberständiger Scheibenbekrönung der Jüngeren Bronzezeit belegt werden kann (MÜLLER-KARPE 1980, passim). Also ist Gruppe C/w als jünger gegenüber der Gruppe A/w anzusehen.
  • Weil in Inventaren der Gruppe C/w auch Leittypen der Gruppe B/w vorhanden sind, wie z.B. entsprechende Stollenarmbänder oder auch Lüneburger Radnadeln, und weil über ähnliche Halskragen hinaus auch vergleichbare Schmuckscheiben inteiden Gruppen auftreten, wird sich für eine zeitliche Parallelisierung entschieden, wobei aber nicht ausgeschlossen werden kann, daß Gruppe C/w aufgrund des in der feineren und differenzierteren Verzierungsweise vermutbaren höheren technischen Standarts eventuell als etwas jünger als Gruppe B/w anzusehen ist. Die mit dieser Einschränkung vorgenommene zeitliche Gleichsetzung füllt zum einen die durch das "Heruntersetzen" der Gruppe A/w in der Südregion entstandene Lücke ohne der Abfolge der Stachelscheibenformen zu widersprechen, andererseits kann eine ähnliche chronologische Differenz auch für die unterschiedliche Ausprägung der Stollenarmbänder in Gruppe A/w und B/w verantwortlich sein.
  • Ein solcher Trend in dieser Gruppe von Leittypen wird durch die formale Weiterentwicklungs- tendenz von Stollenarmbändern zu Manschettenarmbändern bestätigt, was neben den Haarknotenfibeln mit kleinen Spiralen in Gruppe B/w und denen mit großen Spiralen in Gruppe D/w zu deren zeitlicher Einstufung als nach Horizont B/w - C/w führt. Von außen wird diese Sortierung durch das Vorhandensein von Fibeln der letzteren Art und in enormer Größe in der Jüngeren Bronzezeit weiter abgesichert (LAUX 1973 b, passim).

Zusammenfassend kann damit das chronologische System der relativen Abfolge von Frauengrab - Inventaren in Tabelle 2 als belegt gelten.

 

[3.3.4.2] Relative Männergrab-Chronologie

Wesentlich komplexer stellt sich die Situation bei den als männliche Grabinventare ermittelten geschlossenen Funden dar, bei denen innerhalb der beiden Regionen jeweils drei Leithorizonte (.../m) voneinander getrennt werden.

Hauptproblem dieser kombinationsstatistischen Gruppenbildungen ist, daß in den Inventaren mit nur wenigen Objekten häufiger solche miteinander vergesellschaftet sind, die keine echte Typisierung zulassen, d.h. daß zwar die Fundstücke per se erfaßbar und beschreibbar sind, daß sich aber aus ihren Einzelmerkmalen heraus keine Merkmalssummen ergeben, die auf andere Gegenstände als zusammenfassende Kennzeichnung übertragbar wären. Beispiele dafür sind Silexpfeilspitzen, Lockenspiralen, Keramik, aber auch verschiedene Nadelformen. Mehrmalige Sortierungsversuche, die die wenigen zur Typisierung von Dolchklingen erfaßbaren Merkmale miteinzubeziehen suchten, mußten mit dem Ergebnis abgebrochen werden, daß gerade diese dominierende Objektgruppe zur chronologischen Gruppendifferenzierung wenig geeignet zu sein scheint. Diese Vorbehalte gelten besonders für die erarbeiteten Gruppen des südlichen Teilgebietes (vgl. Tab. 3):

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Der erste vorzustellende Leithorizont(B/m) ist mit folgenden Leittypen.zu charakterisieren: Absatzbeile mit gerade umlaufendem Absatzwulst, Nadeln mit doppelkonischem Kopf und durchlochtem Schwellhals sowie Rollennadeln, die nicht näher zu klassifizieren sind. Dazu kommen als weitere Merkmalssummen Arm- bzw. Beinringe mit mehrheitlich abgerundetem Querschnitt und in häufigen Vergesellschaftungen keramische Beigaben, deren Haupttyp wohl als kumpfartiger Napf zu umschreiben ist.

Der nächste erkannte Horizont (C/m) enthält als wichtigsten Typ lange Fibeln mit weidenblattförmigem Bügel, kleinen Spiralenden und unverziertem Bügelmittelfeld. Damit sind durch einen Kontaktfund die sog. böhmischen Scheibenkopfnadeln mit seitlicher Scheibe vergesellschaftet, die wegen ihrer geringen Anzahl mit nur 4 sicheren Exemplaren in geschlossenen Funden nicht zur Definition eines eigenen, getrennten Leithorizontes dienen können. Beigeordnet sind Nagelkopfnadeln mit gelochtem Schwellhals, die in ihrer Form den zu den obigen Fibeln gehörenden Nadeln entsprechen. In dieser Zusammensortierung sind in den Fundkombinationen weiterhin Arm- oder Beinringe mit rhombischem Querschnitt mehrfach vertreten.

Die letzte der südlichen Zeitguppen (E/m) ist charakterisiert durch die Kombination von langen Nadeln mit einer quadratischen Halspartie, Absatzbeilen mit U-förmigem Absatz (sog. Schlichte oder Norddeutsche Absatzbeile) und Dolchklingen mit mehreren, meist drei, paralellen Längsrippen, die wiederum mit langen Fibeln mit weidenblattförmigem Bügel und einem spiralverzierten Bügelmittelfeld verknüpft sind. Mit diesen Leittypen zusammen gefunden und beigeordnet sind außerdem einige Nadelformen, die in einer Auswahl in Tabelle 3 (E/m) vorgestellt werden und, vergleichbar zu der ersten Gruppe, Absatzbeile mit gerade umlaufendem Absatzwulst, deren Schneidenränder hier aber stärker nach innen gezogen sind.

Im nördlichen Bereich des Arbeitsgebietes wurden zunächst nur zwei Leithorizonte voneinander getrennt, bis erkannt wurde, daß die dort nicht zuweisbaren und deshalb ausgeschiedenen Männergrab-Inventare eine in sich geschlossene Formengruppierung darstellen. Die so ermittelte Gruppe untereinander ähnlicher Fundvergesellschaftungen wird als nächste beschrieben:

Leittypen (D/m) sind hier wieder Absatzbeile mit einem gerade umlaufenden Absatz, zu denen in diesem Fall jedoch längere Dolche oder auch Kurzschwerter mit vier Pflocknieten und einer das Schneidenende mit einem halbrunden Ausschnitt umgreifenden Griffplatte treten. Dazu kommen Lanzenspitzen unterschiedlicher Form, Rollennadeln, lange Nadeln mit zum Teil mehrkantigem Schaft, Gürtelhaken mit Endplatten und auch geknickte Randleistenbeile mit einem schwachem Mittelsteg.

Die beiden weiteren Horizonte im nördlichen Gebietsteil weisen das Manko auf, daß in ihnen einmal nur 7 (F/m) und andererseits nur 5 geschlossene Funde (G/m) zusammengefaßt werden können.

Der erstere von diesen (F/m) beinhaltet Griffzungenschwerter und Nadeln mit doppelkonischem Kopf, der zum Teil wie auch der Hals mit umlaufenden Riefen verziert ist. Zu diesen Formen gehören Lanzenspitzen mit einem, relativ zum Schaftteil, langen Blatt und in einem Fall ein Absatzbeil mit U-förmigem Absatz und einer Mittelrippe auf dem Schneidenteil, wie es auch aus der letzterwähnten Gruppe der südlichen Region bekannt ist.

Die andere Gruppe (G/m) umfaßt sog. Kurzschwerter, deren Griffzunge der Länge nach durchbrochen ist und sowohl Lanzenspitzen mit langem Blatt und kurzem Schaft als auch solche mit langem Schaftteil und einem fast rhombischen, kurzem Blatt. Damit vergesellschaftet sind außerdem Nadeln mit einem abgetreppten und relativ kleinen Kopf, deren Halsteil eine direkt am Kopf ansetzende, durchgehende Riefenverzierung zeigt.

Außer diesen sechs Leithorizonten in den getrennten Regionalbereichen ist im Arbeitsgebiet eine Formengruppe vertreten (A/m), die sich dieser räumlichen Gliederung nicht unterwerfen läßt. Es handelt sich dabei um Grabinventare, deren Formenschatz von Kurzschwertern mit 4 Ringnieten auf einer trapezförmigen Griffplatte, dem sog. Typ Wohlde und Kurzschwertern mit ebenfalls 4 Ringnieten auf einer halbrund geformten Griffplatte und einer mit geschwungenen Strichgruppen verzierten Schneidenfläche, dem sog. Typ Sögel, bestimmt wird. Mit diesen Objekten sind Nadeln mit doppelkonischem Kopf und einem dezentral durchlochtem, einseitig geschwollenem Hals sowie langestielte Randleistenbeile vergesellschaftet.

Bei der Zusammenfassung der obigen in sich abgeschlossenen Ähnlichkeitskombinationen fällt eine kleine Gruppe von Objekten heraus, die wegen ihrer nur geringen Zahl von 5 Grabinventaren bei der Formenkreiskartierung nicht aufgefallen war, nun aber aufgrund ihres engen Verbreitungsradius im äußersten Nordwesten des Arbeitsgebietes und ihrer Merkmalsähnlichkeiten als gesonderte Regionalgruppe (H/m) eingestuft werden muß (vgl. Karte 18). Für sie sind Vollgriffschwerter und Fibeln mit schmalem, tordierten Bügel kennzeichnende Merkmalssummen, doch ist damit in einem  Falle auch ein Griffplattenschwert und ein Absatzbeil mit umlaufendem Absatzwulst zu verknüpfen.

Der differenzierten Erkennbarkeit von Leithorizonten mit ihren Leittypen entspricht das gegenüber der relativen Frauengrab-Chronologie komplizierter erscheinende Schema der Männergrab-Chronologie in Tabelle 3, welches im folgenden begründet werden soll:

  • Ausgangspunkt der chronologischen Beziehungen des erstellten Systems ist die Setzung des Horizontes A/m mit den Kurzschwert-Typen Wohlde und Sögel als früheste Stufe der Bronzezeit dieses Raumes, was nach SPROCKHOFF (1927, 123 ff) und LAUX (1971, passim) wohl auch für ganz Norddeutschland Geltung zu haben scheint.
  • In formaler Ähnlichkeit zu Typen dieser Gruppe stehen Objekte der Leithorizonte B/m und D/m. Dabei handelt es sich bei B/m um die Nadeln mit doppelkonischem Kopf und mittig-durchbohrtem Schwellhals sowie bei Gruppe D/m um lange Nadeln mit einem mehrkantigen Schaft, der auch für die Schwellhalsnadeln in A/m typisch ist.
  • Für den gegenüber A/m jüngeren zeitlichen Ansatz des Horizontes D/m sind vor allem die Kurzschwerter mit den als technische Weiterentwicklung anzusehenden Pflocknieten verantwortlich, die überdies Merkmale sowohl des Typs Wohlde mit einer trapezförmigen Griffplatte als auch des Typs Sögel mit dem das Schneidenoberende halbrund umschließenden Griffansatzes aufweisen. Dieser veränderte Kurzschwerttyp leitet über zu den Absatzbeilen mit einem gerade umlaufenden Absatzwulst, die hier als mehr oder weniger synchronisierende Merkmalssumme für die Gruppen B/m, C/m und D/m angesehen werden. Dazu tritt noch ein Fund der Regionalgruppe H/m (Nordwest), der über diesen Absatzbeiltyp ebenfalls in diesen zeitlichen Parallelisierungsbereich zu gehören scheint.
  • Gruppe B/m wird mit E/m durch den obigen Beiltyp, der im Gegensatz zu denen mit U-förmigem Absatz auch als mit einem H-förmigen Absatz versehen benennbar ist, verknüpft, während zu C/m ein enger Kontakt durch weitgehend identische Dolchklingenformen und ähnliche Ringe besteht.
  • Wenn im letzteren Verhältnis (B/m-C/m) der unterschiedliche Anteil von Ringen mit mehr rundem zu mehr rhombischem Querschnitt und die veränderte Form der Köpfe der Nadeln mit durchlochtem Schwellhals, die im zweiten Fall sicher zu den Fibeln gehören, als zeitliche Differenz gewertet werden kann, dann muß Gruppe C/m als etwas jünger eingestuft werden. Dies ist in der Tabelle 3 mit einem trennenden Schrägstrich angedeutet.
  • Der zeitliche Bezug zwischen den recht scharf getrennten Leithorizonten E/m und C/m ergibt sich allein aus der jeweils unterschiedlichen Vergesellschaftung der Fibeln mit weidenblattförmigem Bügel und einerseits spiralverziertem, andererseits unverziertem Bügelmittelfeld. Aus diesem Grund wird die Gruppe E/m als jünger gegenüber C/m angesehen. Die Ähnlichkeit der in Fundkombinationen dieser späteren Stufe auftretenden Beile mit H-förmigem Absatz ist gerade wegen der etwas anderen Form der mehr nach innen eingezogenen Scbneidenränder kein Gegenargument für diese chronologische Abfolge der Leithorizonte der südlichen Region.
  • Aus den obigen Erwägungen muß entnommen werden, daß die recht häufigen Absatzbeile mit H-förmigem Absatz nur eine grobe zeitliche Orientierung darstellen. Mit dieser Begründung wird Leithorizont D/m von dem durch die Beile mit U-förmigem Absatz und einer Mittelrippe auf dem Schneidenteil mit Gruppe E/m verknüpften Horizont F/m graphisch nicht horizontal, sondern mit einer schrägen Linie getrennt.
  • Für eine zeitliche Beziehung zwischen D/m und G/m spricht der in beiden Formengruppen vorhandene Lanzenspitzentyp mit langem Schaftteil und einem rhombischen Blatt.
  • In ihren Merkmalen und Merkmalssummen eng miteinander verknüpft sind die Horizonte G/m und F/m, was sich anhand der Griffzungenschwerter, Lanzenspitzen und relativ ähnlicher Nadelformen zeigen läßt. Aus dem als technische Verbesserung, d.h. materialeinsparend, interpretierten Unterschied in der vom organischen Griff überdeckten Fläche der Griffzunge bei den Schwertern der Gruppe G/m und aus dem Trend zu kleineren Nadelköpfen, die sich aber allgemein recht ähnlich bleiben, wird die Konstruktion einer zeitlichen Differenz vorgenommen. Letztere Feststellung zu den Nadelformen und die in beiden Inventargruppierungen erkenntliche Neigung, den gesamten Halsteil der Nadeln vom Kopf abwärts mit einer dichten Verzierung zu versehen, bestätigt die vorgenommene Sortierung des Leithorizontes E/m als jüngste Stufe der anderen Region.
  • Zu der dazu in.der Tabelle parallelisierten Stellung der Vollgriffschwerter des Horizontes H/m (Regionalgruppe Nordwest) berechtigt die den Griffzungenschwertern vergleichbare Gestaltung des Griffansatzes und des nach außen vorkragenden Knaufes, wobei hinzubemerkt werden muß, daß die nur geringe Anzahl von geschlossenen Funden dieser Gruppe keine chronologisch weitergehenden Schlußfolgerungen erlaubt.

Die hiermit abzuschließende Vorführung und Begründung der relativen, als zeitabhängig angesehenen, Strukturen in der miteinander vergesellschafteten Formenvielfalt der Männergrab-Inventare dient zusammen mit dem Schema der Frauengrab-Inventare als Basis für die anschliessende Analyse und Interpretation der Besiedlungsgeschichte Nordost-Niedersachsens während der Älteren Bronzezeit. Auf eine Darstellung der chronologischen Bezüge in Gestalt einer Typen-Gräber-Kombinationstabelle für die hier erzielten Ergebnisse wird verzichtet, da über eine solche zusätzliche Veranschaulichung kein Mehr an Information gegenüber den beiden Leittypen-Leithorizont-Kombinationstafeln erreicht werden kann. Die Zuordnung einzelner Funde bzw. Fundorte zu den jeweiligen Leithorizonten ergibt sich impliziert und expliziert aus den dem folgenden Abschnitt beigefügten Kartierungen (Karten 13-18).

 

[3.4] Besiedlungsgeschichte

[3.4.1] Relative Chronologie der Älteren Bronzezeit

Für die Zusammenfassung der unterschiedlich differenzierten Frauen- und Männergrab-Chronologien ergibt sich keine, quasi automatische, Korrelation, da einerseits vier und andererseits sechs Leithorizonte innerhalb der beiden räumlich gefaßten Hälften des Arbeitsgebietes erschlossen worden sind. Deshalb kommt verschiedenen Merkmalen oder Typen, die über die geschlechtsspezifische Zuordnung der geschlossenen Funde hinweg brückenbildende Ähnlichkeiten aufweisen, hier eine besondere Funktion zu.

Auf den wichtigsten Fund, der gleichermaßen Typen beider Geschlechtsgruppen beinhaltet, wurde bereits oben verwiesen. Die in Melbeck, Kr. Lüneburg (FO-Nr. 58) in Hügel 3 geschlossen vergesellschafteten Objekte gehören einerseits dem weiblichen Leithorizont C/w und dem männlichen Horizont D/m an. Damit ist der entscheidende Parallelisierungsfixpunkt festgelegt.

Ein weiterer für diese Problemlösung heranziehbarer Fund ist eine Männerbestattung aus Uelzen, Hgl. 4 (FO-Nr. 141). Zum einen wird aus seiner räumlichen Zugehörigkeit zur nördlichen Region die teilweise zeitliche Parallelisierung der Männergruppe D/m (Beil mit H-förmigem Absatz) mit der entsprechenden Gruppe E/m (Dolchklinge mit mehreren Rippen) weiter abgesichert, außerdem weist der damit zusammen gefundene Arm- bzw. Beinring ein Verzierungsmuster auf, welches für den Frauen-Horizont D/w typisch ist. Aus der Begründung für die schräg linierte Abgrenzung der Gruppe D/m zur Gruppe F/m wird gefolgert, daß der diesem zeitlichen Überschneidungsbereich zuweisbare obige Fund zumindest für den Horizont F/m der Männergräber eine Parallelisierung mit der Formengruppe D/w wahrscheinlich macht.

Im südlichen Bereich werden über die sowohl in Männer- als auch in Frauengräbern vorkommenden Fibeln mit weidenblattförmigem Bügel die Leithorizonte C/m und E/m mit dem Horizont B/w zeitlich gleichgesetzt. Da dem letzteren bei den weiblichen Bestattungen die Gruppe C/w entspricht, in der mehrere Objekte mit Spiralverzierungen bekannt sind, scheint die vorgenommene Parallelverschiebung für die Männergruppen C/m und E/m zutreffend zu sein.

Als nicht direkt über ihren Formenschatz zu verknüpfende Leithorizonte werden die Gruppen A/w und B/m aufgrund ihrer relativen chronologischen Stellung vor den oben verbundenen Horizonten synchronisiert.

Der männliche Leithorizont A/m, der über kein weibliches Pedant (im Sinne von Inventargruppe) verfügt, bildet insgesamt die früheste Phase des Systems.

Die noch verbleibende Gruppe F/m ist wegen ihrer großen Formenähnlichkeiten und ihrer geringen Gesamtfundzahl der Gruppe G/m zuzuordnen, wobei sich aus dieser Zusammenfassung eine auch für den entsprechenden Frauengrab-Leithorizont D/w geltende, recht scharfe Leittypenabgrenzung zu den anderen, in ihren Inventaren größere gemeinsame Ähnlichkeiten aufweisenden, Gruppierungen ergibt.

Zu Leithorizont H/m, der als eigenständige Regionalgruppe erkannt wurde, ist zu sagen, daß als weibliche Entsprechung die in ihrer Typenkombination schon bei der Geschlechtsdifferenzierung (s. Abschn. 3.3.2) aufgefallenen Grabinventare mit den in ihnen enthaltenen Dolchbeigaben zugeordnet werden, da sich diese Formenvergesellschaftung ungefähr auf die gleiche Region beschränkt. Als Leittypen für diesen neu zu konstruierenden weiblichen Leithorizont E/w, der in Tabelle 2 noch nicht aufgeführt ist, sind tordierte Halsringe und kleine Spiralplattenfibeln mit tordiertem Bügel, die mit diesem Inventarphänomen verknüpft sind, anzuführen. Es ergibt sich somit, daß Männer- und Frauengräber dieses Regionalbereiches über die beiden gemeinsame ähnliche Fibelform miteinander und in entsprechender Art und Weise mit dem zusammengefügten Gesamthorizont aus D/w und F,G/m in Beziehung zu setzen sind. Zur graphischen Verdeutlichung des Ergebnisses dieser chronologischen Analyse und Zusammenstellung dient Tabelle 4.

SÜD

NORD

NORDWEST

 

D/w ; F, G/m

E/w ; H/m

B/w ; C, E/m

C/w ; D/m

 

A/w ; B/m

 

 

A/m

[Tab. 4] Relatives Chronologieschema zur Älteren Bronzezeit in Nordost-Niedersachsen (vgl. Tab. 2 und 3)

 

[3.4.2] Zeitlich-räumliche Systeme

Neben der zeitlichen Dimension der geschlossenen Funde, auf der die jetzt miteinander verknüpften Ergebnisse des kombinationsstatistischen Verfahrens basieren, verfügt jeder Fund mit seinem Fundort, der bei durch Befunde abgesicherten Grabinventaren mit seinem primären Niederlegungsort identisch ist, über eine räumliche Komponente, die durch Kartierung erfaßt wird. Um nun das Quellenmaterial für die besiedlungsgeschichtliche Betrachtung aufzubereiten, dienen die die einzelnen Leithorizonte (vgl. Tab. 4) charakterisierenden Leittypen-Kombinationen (vgl. Tab. 2 und 3) zur Konstruktion von chronologisch-topographischen Systemen. Dabei finden auch die Funde, die wegen ihrer ungesicherten Befundlage nicht als geschlossene Funde angesehen werden konnten, eine Verwendung, soweit sie durch Einzelmerkmale oder Objekttypen einem definierten Leithorizont zuweisbar sind (vgl.Abschnitt 3.2.2)

Als formales Ergebnis bestätigt sich in den nachfolgenden Karten (13-17) die Richtigkeit der im Zirkelschlußverfahren eingeführten Verwendung der Hauptwasserscheide zwischen Elbe und Weser/Aller als Trennungslinie zwischen den Formengruppen des südlichen und des nördlichen Regionalbereiches (s. Abschnitt 3.1.2).

Außerdem wird in dieser Kartierungsserie die im chronologischen Verfahren erkannte und über eigene Leittypen spezifizierte Nordwest-Gruppe auf Karte 18 als eigenständiger, regional begrenzter Formenkreis gesondert ausgewiesen, da sich dieses Phänomen nicht allein anhand der auffälligen Aussparung des nordwestlichen Randgebietes in der Fundortverteilung der Karten 15 und 17 verdeutlichen läßt.

 

[3.4.3] Besiedlungsverlauf

Als Grundannahme zur Erörterung der besiedlungsgeschichtlichen Strukturen der Älteren Bronzezeit in Nordost-Niedersachsen muß vorangestellt werden, daß das gesamte Gebiet zu keiner Zeit während des Holozäns als unbesiedelt betrachtet werden kann. Darüber hinaus wird dieser Raum für den hier erfaßten zeitlichen Abschnitt vorab als ein ständig oder periodisch von Menschen bewohnter Siedlungsraum in der von NIEMEIER (1977, 16) erläuterten Form des Begriffs Ökumene angesehen, was bedeutet, daß damit keine differenzierte Aussage über die Dichte oder die Art der Besiedlung vorgegeben ist, sondern daß in diesem Terminus auch große Flächen ohne eigentliche Ansiedlungen enthalten sein können.

Die Bewertung der sich in den kartierten Grabfunden widerspiegelnden Besiedlungsmerkmale und -strukturen folgt der Reihenfolge der Karten:

Karte 13
Die wenigen, weit gestreuten Fundpunkte des Zeithorizontes A/m lassen den Schluß zu, daß es sich hierbei um Erscheinungen mit lokaler Bedeutung handelt. Die relative Fundhäufung im südlichen Bereich ist wohl eher als ein Resultat intensiverer Forschung, denn als Konzentration im besiedlungsgeschichtlichen Sinne zu verstehen. Es erscheint trotz der nur geringen Anzahl bemerkenswert, daß aus dem östlichen Teil des Arbeitsgebietes keine Funde dieses Horizontes, d.h. solche mit mindestens zwei mehr oder weniger sicher vergesellschafteten Objekten, aufgefunden worden sind. Wenn diese Fundorte in Auslegung der obigen Voraussetzung nicht als Ausdruck eines Erstbesiedlungsvorganges gewertet werden, so muß gefolgert werden, daß diesem frühesten Bronzezeithorizont, auch wegen des Fehlens synchronisierbarer Frauengräber, möglicherweise spät- oder endneolithische Erscheinungen (Problem: Hügelbestattungen ohne Beifunde) zeitlich parallelisiert werden müssen. Damit wären dann diese Grabinventare, da in Nordost-Niedersachsen weder natürliche Kupfer- noch Zinnvorkommen ins Kalkül gezogen werden können, als früheste Zeugnisse von Metall- bzw. Bronzeprodukt-Importen aufzufassen.

Karte 14
Der nach der Chronologietabelle als frühester der altbronzezeitlichen Gruppen anzusehende Leithorizont A/w - B/m zeigt in der Kartierung sowohl für die Frauen- als auch für die Männergräber eine übereinstimmende Konzentration im südlichen Bereich, bei den Funden mit gleichem Fundort handelt es sich um unterschiedliche Hügel. Dabei scheint die regionale Abgrenzung im Falle der Männergräber eindeutiger zu greifen, da eine größere Zahl der als gleichzeitig konstruierten Frauengrab-Inventare auch jenseits der Hauptwasserscheide Verbreitung findet. Interessant ist, daß im Umkreis von wenigen Kilometern zu Grabfunden der vorherigen Gruppe hier weibliche Bestattungsfunde vorliegen. Während die weiteren Frauengrabfunde in das Ilmenau-Gebiet streuen, zeigen die männlichen Bestattungen eine mehr westliche Verbreitungstendenz bis in das Gebiet der Mündung der Aller in die Weser.

Von der Besiedlungsstruktur her kann gesagt werden, daß im Kernbereich der südlichen Gruppe im Raum um Bergen die Existenz einer dort siedelnden menschlichen Population mit zunehmend bronzezeitlichem Habitus belegt ist, die von den geographischen Daten einen räumlichen Anschluß zu Horizont A/m darstellt. Im nördlichen Teilbereich ist eine solche Aussage nur sehr schwer zu treffen, allerdings muß berücksichtigt werden, daß einzelne Leittypen des Horizontes D/m gewisse formale Affinitäten zu der allgemein frühesten Gruppe A/m erkennen lassen. Aus dieser Erkenntnis heraus ist es zwar nicht möglich gewesen, erstere Gruppe weiter zu untergliedern, es kann hier aber erwogen werden, daß das Übergewicht der hier allein kartierten Frauengräber eventuell durch Männergräber jener Gruppe D/m egalisiert werden könnte. Andererseits ist durchaus auch daran zu denken, daß Männergräber mit als endneolithisch eingestuften Beigaben die zeitliche Entsprechung bilden.

Karte 15
Im Vergleich zu Karte 14 zeigt sich die Beibehaltung des südlichen Kernraumes der Verbreitung mit einer leichten Zunahme der Fundortanzahl. Die hier zusammen kartierten weiblichen und männlichen Leithorizonte B/w - C, E/m verweisen durch ihre häufige Bestattungsvergesellschaftung in gleichen Gräberfeldern und zusätzlich auch in Hügeln mit mehrfacher Belegung auf ihre weitgehende zeitliche Kongruenz. Im nördlichen Teilraum läßt sich unter Beibehaltung allgemein ähnlicher Fundräume zu der oben betrachteten Zeitgruppierung eine verstärkte Einbeziehung der Luheheide und des Uelzener Beckens erkennen. Da der zeitlichen Kategorisierung nur relative Aussagen zu einer.jeweils älteren oder jüngeren Stellung im System zu entnehmen sind, Hinweise auf die Zeitdauer des prägenden Einflußes der Leittypen auf die Inventarkomplexe somit fehlen, kann die erhöhte Anzahl der Fundorte dieser oder auch anderer Leithorizonte nicht als Ausdruck einer Besiedlungsintensivierung interpretiert werden.

Karte 16
Dieser Mangel an zeitlichen Anhaltspunkten für die Zeitspanne des Vorherrschens einer bestimmten Leittypenkombination kommt auch für diese, dem letzten Leithorizont weitgehend synchronisierte Gruppe C/w - D/m zum Tragen, da sich die Anzahl der Fundpunkte im nördlichen Arbeitsgebiet auf relativ zeitgleicher Ebene stark vergrößert. Keine große Hilfe ist hier die einzige verwendbare von insgesamt nur zwei 14C-Datierungen (!), die dem der Gruppe D/m zugehörenden Grabinventar aus Luttum, Kr, Verden, Hügel 39 (FONr. 146), ein Datum von 1480 +/- 60 v. Chr.(SCHÜNEMANN 1982, 44) zuweist. So ist für diese Zeitgruppe allein von den Fundorten her anzumerken, daß der Verbreitungsbereich gegenüber Karte 15 weiter nach Nordwesten streut, die Südheide dagegen fast vollständig ausgespart bleibt. Ein im Vergleich zum Gesamtraum recht schwach ausgeprägter Kernbereich findet sich im Uelzener Becken.

Karte 17
In dieser Kartierung (D/w - F, G/m) ist ein vergleichbares, jetzt aber wesentlich stärker und deutlicher hervortretendes Konzentrationsphänomen im gesamten Bereich des Gewässersystems der Ilmenau festzustellen, wobei außer dem Uelzener Becken das nördlich davon gelegene Gebiet der Ostheide eine hohe Anzahl von Fundpunkten aufweist. Für das übrige Arbeitsgebiet gilt wie bei der letztbehandelten Gruppe die fast ausschließliche Verbreitung über die nördliche Region, womit sich die räumlich weitgehende Ähnlichkeit als zeitliche Kontinuitätsfolge interpretieren läßt.

Karte 18
Außer den bereits oben erwähnten Voraussetzungen, die zur gesonderten Anfertigung der Karte führten, sei zu erwähnen, daß diese Nordwest-Gruppe (E/w - H/m) über deutliche räumliche Abgrenzungsmerkmale zu den anderen Gruppen verfügt. Dabei bildet, wenn die östlich gelegenen Fundorte nicht-geschlossener Inventare ausgeklammert werden, der Verlauf der sich am Nordwestrand der Schwarzen Berge orientierenden Este eine gut festlegbare östliche Trennungslinie. Aus diesen Verbreitungsdaten, denen in den anderen Karten quasi negative Ausschlußdaten entsprechen, läßt sich die Richtigkeitdes zeitlichen Ansatzes dieser Regionalgruppe als parallel zu den anderen Gruppen der Älteren Bronzezeit ablesen, wobei vom Fundmaterial her (s.o.) eigentlich nur eine gesicherte formale Übereinstimmung mit der jüngsten Gruppe erreicht werden konnte.

Als das wichtigste Ergebnis dieser zeitlich abgestuften Betrachtung kann die Erkenntnis gelten, daß im nördlichen und südlichen Teil des Arbeitsgebietes Besiedlungssysteme existieren, die jeweils im Verhältnis zueinander unterschiedliche Strukturen aufweisen, die historisch interpretierbar sind und hier zusammengefaßt dargestellt werden können.

Besonders bedeutsam ist das über mehrere Zeithorizonte hinweg zunehmende Auftreten von Bronzegegenständen in einer immer größer werdenden Anzahl von Grabinventaren, deren Fundorte beginnend bei lokalen Erscheinungen später zu regionalen Komplexen zusammenwachsen. Dabei tritt diese Dokumentation eines bronzezeitlichen Habitus im südlichen Bereich zu einem früheren Zeitpunkt bereits deutlicher hervor, während dies im nördlichen Teil erst im zeitlich darauf folgenden Leithorizont belegbar wird. In der zeitlichen Folge scheint sich im Bild der Karten eine Besiedlungsverschiebung vom Südteil des Arbeitsgebietes in den nördlichen Bereich abzuzeichnen, was jedoch allein aus der Tatsache resultiert, daß im Süden kaum mehr Funde auftreten, die der jüngsten Stufe angehören oder mit ihr sicher zu parallelisieren wären.

Diese Feststellung leitet jedoch schon in den anschließenden Hauptabschnitt über, wo dieses Phänomen im Rahmen der Erörterung über das kulturelle Verhältnis der Älteren Bronzezeit zu Jüngerer Bronzezeit und Endneolithikum behandelt werden wird.

 

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© 1985/1999/2007 Martin Nagel M.A.

 

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